Mit den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD sind die „alternativen Fakten“ offenbar auch bei der deutschen Regierungspolitik angekommen. Die Genossen, die sich aufschwingen, den Kampf gegen eine vermeintliche Zwei-Klassen-Medizin zu einer Grundsatzfrage deutschen Sozialverständnisses durch zu trotzen, müssten es doch eigentlich besser wissen. Nachdem die Idee einer Bürgerversicherung inzwischen zu einer Bürgerverunsicherung mutierte, wird völlig unreflektiert die Honorierung der Ärzte aus den Gebührenordnungen EBM und GÖÄ/GOZ zum Spielball eines politischen Schaulaufens gemacht. Privatärztliche Honorare sollen sinken, vertragsärztliche etwas steigen, damit nicht massenhaft Praxen schließen müssen? Die Folge wäre ein unmittelbarer Leistungsabbau und Einbruch bei der Versorgung aller Patienten. Soziale Gerechtigkeit geht anders, als die wirtschaftliche Sicherheit vieler Ärzte massiv einzuschränken, Versorgung auf den kleinsten Nenner herunter zu bügeln und dem Bürger die Entscheidungsfreiheit zu beschneiden, wo es um sein wichtigstes Gut geht – seine Gesundheit.

Fakt ist: Eine Angleichung der Vergütungen für privat- und vertragsärztliche Leistungen würde – da sind sich alle Experten einig – die medizinische Versorgung in keiner Weise verbessern, da es zwangläufig zu Leistungseinschränkungen käme, um das System finanzierbar zu halten. Bei Ärzten würden durch Wegfall der Reduzierung der Privatvergütung Mindereinnahmen von mindestens 6 Milliarden Euro entstehen, möglicherweise sogar 8 Milliarden, wenn man bedenkt, dass bis zu 30 Prozent der privat ärztlichen Kosten durch Selbstbehalte von Versicherten gedeckt werden. Kosten, um die sich eine Einheitsversicherung verteuern würde.

Schlimmer noch: Unbestreitbar wird ein großer Teil der Investitionen in Praxen durch Privatpatienten erst ermöglicht. Innovationen für alle Patienten im niedergelassenen Bereich würden staatlicher und institutioneller Planwirtschaft überlassen. Das Maß an notwendigen politischen Regulationen des Systems würde völlig neue Maßstäbe erreichen, die zudem ehrenamtliches Engagement und die Grundidee der Selbstverwaltung im Gesundheitssystem ad absurdum führen würde. Was hätten die gesetzlich Versicherten davon? Möglicherweise würde eventueller Sozialneid befriedigt, wenn es um vermeintlich schnellere Terminvergabe oder mehr persönlichen Service geht. Das war’s dann aber auch.

Gleichzeitig dürfte die normative Kraft des Faktischen dann eine echte ZweiKlassen-Medizin schaffen. Es wäre doch Illusion anzunehmen, dass diejenigen, die sich Gesundheitsversorgung nach Wunsch leisten können, diese nicht auf dem Markt beschaffen. So zu beobachten bei den angeblich so sozialen Systemen in Schweden und Großbritannien. Der Mummenschanz, den die SPD um die angebliche Zwei-Klassen-Medizin betreibt, sollte daher spätestens mit dem Karneval beendet sein.

Stefan Tilgner, PVS Verband